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Die Gaskammer in Sachsenhausen


Letztes Update 13. September 2006





Übersicht
Übersicht
Das Krematorium Station Z
Das Krematorium "Station Z" *
Das sogenannte "Musterlager" Sachsenhausen, wenige Kilometer nördlich von Berlin, war schon im Herbst 1941 Schauplatz einiger Vergasungen und zwar in Verbindung mit der Erforschung der Gaswagen. Von Dezember 1941 bis Mai 1942 wurde ein Krematorium gebaut, in dem dann später eine stationäre Gaskammer eingerichtet wurde.
Die Gaskammer war Teil der sogenannten "Station Z", die im Industriehof am nordwestlichen Rand des Lagers lag. Der Name "Station Z“ leitete sich vom Grundplan des Lagers ab: Da der Turm über dem Eingang mit dem Buchstaben "A“ bezeichnet war, machte die SS einen makaberen Witz daraus, das letzte Gebäude (das Krematorium) mit dem letzten Buchstaben des Alphabets zu bezeichnen.

Das L-förmige, einstöckige Gebäude umfasste vier fest eingebaute Krematoriumsöfen, eine Genickschussanlage und später eine kleine Gaskammer. In den vier Öfen konnten innerhalb von 24 Stunden etwa 600 Leichen verbrannt werden. Obwohl das Gebäude außerhalb des Lagers lag und vom restlichen Lager durch eine hohe Mauer getrennt war, war der Ort des Krematoriums durch seinen Schornstein deutlich erkennbar.

Gaskammer von innen (1945) und Reste im Jahre 2002
Reste der Gaskammer
1943 wurde die sehr kleine Gaskammer eingerichtet. Der Kommandant Anton Kaindl sagte aus, dass er 1942 von Richard Glücks (Inspekteur der KZs) einen Befehl zum Bau der Gaskammer bekommen hatte und dass er die Kammer im Herbst 1943 einrichten ließ. Paul Sakowski sagte jedoch aus, dass es die Kammer schon 1942 gegeben hat.
Der Raum war gekachelt und mit echten Duschen versehen. Neben der Tür gab es ein Ventilationssystem zum Einführen des flüssigen Giftgases Zyklon B, was in kleinen Flaschen geliefert und in einem verschlossenen Wandschrank in dem Erdbunker bei der Schießgrube neben dem Gebäude aufbewahrt wurde. Mit einem Dorn wurde eine Flasche zerdrückt und damit das Gas freigesetzt, wonach es zusammen mit warmer Luft (um die Wirkung zu beschleunigen) in die Kammer geleitet wurde.
Die Kammer, die mit 6 Duschköpfen als Duschraum getarnt war, hatte die Maße von 2,5 x 3,5 m. Unter Anwendung von Gewalt konnten 25 - 30 Personen in die Kammer gepresst werden. Die Opfer mussten sich in einem kleinen Umkleideraum entkleiden und wurden daraufhin in die Gaskammer geführt. Neben der Tür befand sich ein verglastes Guckloch. Nachdem das Gas eingeführt worden war, dauerte es wenige Minuten bis alle Opfer tot waren. Darauf schaltete man die Ventilatoren ein, und nach einiger Zeit wurden die Leichen vom Krematoriumskommando heraus gezogen.

Sehr viele Personen wurden nach Sachsenhausen überstellt, um hier exekutiert zu werden. In den meisten Fällen wurden sie erschossen oder erhängt, in wenigen Fällen wurden sie vergast.
Ein solcher Fall beschäftigte sowohl das Landgericht Verden als auch das Landgericht Düsseldorf.

Der ehemalige Adjutant des Kommandanten Kaindl, SS-Untersturmführer Heinrich Otto Wessel, stand in Verden vor Gericht, wo der Gasmord an 8 - 10 Zivilarbeitern und bis zu 35 Ostarbeiterinnen verhandelt wurde. Diese Morde wurden auch vom Landgericht Düsseldorf 1960 behandelt im Prozess gegen SS-Obersturmführer August Höhn* und Otto Wilhelm Böhme. Die Zivilarbeiter wurden im November 1944 vergast, weil sie nach einem Luftangriff geplündert haben sollen. Ende 1944 oder Anfang 1945 wurden die Ostarbeiterinnnen ermordet. Der Grund hierfür ist unbekannt.

Es sollen auch kleinere Vergasungen vorgekommen sein, die allein von der SS durchgeführt wurden. Letzte Vergasungen fanden vor der Evakuierung des Lagers statt. Wie im Fall Ravensbrück wurde auch hier das sogenannte "Moll-Kommando“ aktiv. Ende 1944 gab der Kommandant Kaindl dem aus Auschwitz erfahrenen Otto Moll den Befehl, marschunfähige Häftlige zu töten. Moll hatte früher in Sachsenhausen gedient, u.a. als Kommandoführer in der SS-Gärtnerei. 1941 kam er zum Kommandanturstab Auschwitz. Wie in Ravensbrück wurden die kranken Häftlinge in Sachsenhausen erschossen oder (in wenigeren Fällen) vergast. Wieviele Häftlinge Opfer dieser Morde wurden, ist unbekannt. Zeugen sprechen jedoch von bis zu 4.000 Ermordeten.

Paul Sakowski erklärt einem sowjetischen Offizier 
die technische Installation der Gasversorgung.
Vorführung des Gashahnes *
In Verbindung mit der späteren Evakuierung des Lagers wurden alle technischen Anlagen der Gaskammer demontiert, sie wurden jedoch von den Sowjets auf dem Gelände des Industriehofes gefunden und für Dokumentationszwecke wieder eingebaut. Dies geschah in Verbindung mit den Vorbereitungen zum Prozess im Rathaus von Pankow. In dem Film, der viele Jahre lang in der Gedenkstätte gezeigt wurde, demonstriert der Angeklagte ehemalige Häftling und Lagerhenker Sakowski* die Einrichtung der Gaszufuhr.
Das Gebäude, das bei der Befreiung des Lagers vollständig erhalten war, wurde von der Volkspolizei 1952/53 gesprengt. Erst als man Anfang der 60er Jahre die Mahn- und Gedenkstätte einrichten wollte, wurden die Fundamente und die Reste der Öfen gesichert. Die sehr problematische Gestaltung dieses Teils der Gedenkstätte durch die DDR-Behörden ist in den letzten Jahren durch einen völlig neuen und würdevolleren Rahmen ersetzt worden.

Wieviele Menschen in der Gaskammer von Sachsenhausen umgebracht wurden, wissen wir nicht genau. Es ist auch unklar, wie oft die Kammer benutzt wurde. Sakowski gab die Zahl von etwa 35 Vergasungen an.

Fotos:
Gedenkstätte Sachsenhausen *
USHMM *
GFH *

Quellen:
Sachsenhausen. Dokumente, Aussagen, Forschungsergebnisse und Erlebnisse über das ehemalige Konzentrationslager Sachsenhausen. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1986
Kogon et al.: Nationalsozialistische Massentötungen durch Giftgas. Frankfurt/M. 1986
Morsch, Günter (Hrsg.): Mord und Massenmord im Konzentrationslager Sachsenhausen 1936-1945. Berlin 2005

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