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Zwangsarbeitslager Lipowa Straße

Letztes Update 1. Juli 2006





POSTKARTE AUS DEM LIPOWA LAGER

Eine Postkarte, geschrieben am 13. September 1942, einen Tag später abgeschickt.
Absender: "Lisa Schuldberger, Lublin GG, Lindenstr.7, Lager"
Empfänger:"Maria Kittel, Berlin ..."

Eine junge Frau schickt Grüße an ihre kleine Schwester. Sie ist traurig, weil sie keine Pakete erhält obwohl ihre Verwandten einige abgeschickt hatten. Seit ihrer Ankunft im Lager, vor zwei Wochen, hat sie keine Kleidung zum Wechseln.


Foto: Edward Victor


Das Zwangsarbeitslager in der Lipowa Straße (Lindenstraße 7, während der Besatzungszeit nur "Lindenstraße" genannt) wurde im Oktober 1939 auf Befehl des SS- und Polizeiführers Odilo Globocnik errichtet. Etwa 200 Juden aus Lublin wurden gezwungen, den ehemaligen Sportplatz des "Akademischen Sportvereins Lublin" in ein Kriegsgefangenenlager zu verwandeln. Baracken für Handwerker wurden errichtet.

Lagerkarte
Lagerkarte
Jüdische Kriegsgefangene der polnischen Armee sollten hier interniert werden. Sie waren im September 1939 während des deutschen Einmarsches in Polen gefangen genommen worden. Einige tausend jüdische Kriegsgefangene und Zivilisten wurden hier zusammengepfercht.
Zwischen Frühling 1940 und Ende des Jahres wurden etwa 3.200 Gefangene entlassen. Die in den von sowjetischen Truppen besetzten Gebieten Polens beheimateten Juden mussten im Lager bleiben. Sie erhielten Hilfe von der jüdischen Gemeinde Lublins, deren Mitglieder Geld, Kleidung, Medizin usw. sammelten und Familien suchten, die sie aufnehmen würden. Aus diesem Grund konnten die meisten Gefangenen im Juni 1940 entlassen werden.

Von 14. August bis 7. September 1940 war das Lager ein Durchgangslager für jüdische Zwangsarbeiter: Mehr als 15.000 Juden wurden eingeliefert und nach kurzer Zeit nach anderen Lagern im Distrikt Lublin deportiert. Im Februar 1941 befanden sich etwa 3.000 Juden im Lager, die nicht mehr als Kriegsgefangene eingestuft waren. Sie mussten in den Werkstätten arbeiten. Einige hundert Juden wurden beim Bau des nahe gelegenen KZ Majdanek eingesetzt.
Im Dezember 1940 übernahm der SS-Wirtschaftsbetrieb DAW (Deutsche Ausrüstungswerke) das Lager. Die "DAW Lindenstraße" stellte vorwiegend Holzartikel her, die von an modernsten Maschinen zwangsweise arbeitenden Juden produziert wurden. Es gab allerdings auch Schneider-, Schuster-, Sattlerei-, Färberei- und Druckereiwerkstätten.
Juden aus dem Lager Lipowa-Straße wurden teilweise zur Arbeit nach anderen Lagern geschickt, wie auch Gefangene aus anderen Lagern nach der Lindenstraße gebracht wurden.

Besuch Himmlers am 20. Juli 1941
Besuch Himmlers am 20. Juli 1941
Hermann Dolp
Hermann Dolp
Die SS-Wachmannschaften ("Trawnikis") kamen aus Majdanek. Der Lagerkommandant war SS-Sturmbannführer Hermann Dolp. Die Lebensbedingungen der Gefangenen waren hart: Selbst kleine Verstöße gegen die Lagerordnung bedeuteten oft den Tod. Für einen Geflüchteten wurden 10 andere gehängt. Von Zeit zu Zeit wurden größere Gruppen selektiert, nach Majdanek gebracht und dort getötet.
Am 17. August 1942 sollten einige hundert Gefangene nach Majdanek gebracht werden, aber die Schuster unter ihnen zogen ihre Messer und attackierten die Wachen. Mehrere SS-Männer wurden verletzt, einige getötet. Diejenigen Juden, die nicht gleich erschossen wurden, fanden trotzdem ihr Ende in Majdanek.

Während der Existenz des Lagers war eine Widerstandsorganisation aktiv, geleitet von Roman Fiszer. Im Winter 1942/43 konnten etwa 400 Juden nach und nach flüchten. Die meisten von ihnen wurden allerdings eingefangen und erschossen. Etwa 150 Juden gelang es jedoch, die umliegenden Wälder zu erreichen und sich zu zwei Gruppen zusammen zu schließen, die sich später den "Gwardia Ludowa"-Partisanen anschlossen.

Lipowa Lager, 1942
Lipowa Lager, 1942*
Nach dem Sobibor-Aufstand (14. Oktober 1943) befahl Himmler, alle noch in den Lagern im Distrikt Lublin verbliebenen Juden umzubringen. Dieser Massenmord fand gleichzeitig am 3. und 4.November 1943 in allen Lagern statt. Deckname für die Aktion war Aktion Erntefest, organisiert vom SS- und Polizeiführer Jacob Sporrenberg, Nachfolger von Globocnik.
Am 3. November 1943 mussten die verbliebenen 2500 Juden des Lagers ihren letzten Weg antreten, nach Majdanek. Sie versuchten vergebens zu entkommen.

Später wurde das Lager ein Außenlager des KZ Majdanek. Kleine Gruppen Gefangener hatten dort nun zu arbeiten. Im Februar 1944 wurden 500 nichtjüdische Insassen deutscher KZs im Lager Lindenstraße eingeliefert.
Am 22. Juli 1944 wurde das Lager aufgelöst, die verbliebenen 229 Gefangenen nach Auschwitz.

Momentan (Dezember 2005) finden an der Stelle des ehemaligen Lagers Bauarbeiten am neuen Plaza Centers Lublin (Restaurants, Kinos, Läden, etc.) statt. Dieses Projekt könnte die letzten Überreste (Betonfundamente und ein kurzes Baracken-Wandstück) des Lagers für immer verschwinden lassen.

Fotos: Marek Gromaszek*

Quellen:
Pinkas Hakehillot. "Lublin" - Encyclopedia Of Jewish Communities in Poland, Vol.7. Yad Vashem.
Israel Gutman. Encyclopedia of the Holocaust.
Robert Kuwalek, Lublin

Das Foto, das Himmler im Lager zeigt, können wir zeigen mit freundlicher Genehmigung von Peter Witte, Co-Author des Buches "Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42". Die Vergrößerung des Fotos wurde verbessert von ARC.

Location
Lage des Arbeitslagers - siehe Lublin City Karte


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